Die Entzauberung des intrinsischen Werts durch die Geschichtes des Geldes
Während ich diese erste Zeile schreibe, liegt der Kurs von einem Bitcoin zum US $ bei 33.750. Nachdem sich der Kurs in 2020 von einem Tief bei ca US$ 4.100 zum Hoch verzehnfachte, müsste er in 2021 nun mehr 3x machen, um das oft ausgerufene Kursziel von US$ 100.000 zu erreichen. Soweit ein simpler Dreisatz.
Allerdings hoffe ich inständig, dass Du nicht dafür gekommen bist! Sowas könnte Dir der Nachbarsjunge aus der vierten Klasse herleiten. Wenn Dich stattdessen die Frage umtreibt, woher kommt eigentlich dieser Wertzuwachs von 0 US$ am 03. Januar 2009 auf 34.300 am 03. Januar 2021, dann bist Du hier richtig. Willkommen bei einer mehrteiligen Reihe zum Bitcoin (-Protokoll) und dessen Kritikpunkte in den Massenmedien. [ Kursvorhersagen und Chartanalyse wird es hier nicht geben!]
Zwei junge Fische schwimmen ihres Weges, als Ihnen zufällig ein älterer Fisch entgegenkommt. Dieser grüßt freundlich mit den Worten „Moin Jungs, wie ist das Wasser heute?“. Die beiden Jungspunde schwimmen noch ein Weile weiter, bis der Eine sich an den Anderen wendet: „Was ist Wasser?“.
Die Lehre aus dieser kleinen Geschichte lautet, dass man manchmal vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht. Eine dieser „Was ist Wasser?“ Fragen für viele Deutsche ist eigentlich diese Frage:
„Was ist Geld?“
Fragt man Menschen in der Fußgängerzone, werden diese wie selbstverständlich als Antwort auf die Frage eine Banknote hochhalten. Doch nur wenige setzen sich tatsächlich mit dem historischen und auch gesellschaftlichen Zusammenhängen von Geld auseinander.
Geld ist älter als die Schrift und einer der ersten zwischenmenschlichen Kommunikationsformen. Studien mit Affen zeigen, dass diese den Wert eines bestimmten Steins erkennen, wenn es für diesen Bananen gibt. In der Gruppe der Affen entbrannte auch Streit um den Stein und die Weibchen prostituierten sich für den Stein für Bananen. Die Anhänger der sozialistischen Theorie sehen hier vermutlich bereits die Saat für den brutalen, menschenverachtenden Kapitalismus. Andere entdecken darin Kommunikation.
Ein anderes Beispiel aus unser aller Kindheit zeigt ebenso eindrucksvoll, wie die menschliche Psyche und die Sozialisierung über Geld funktioniert. Kinder beginnen im Kindergarten bereits Dinge zu sammeln und zu tauschen. Jeder Junge schwelgt in wohligen Erinnerungen an die Panini Bilder Tauschbörse zur EM oder WM am Pausenhof. In meiner Jugend war Pierre Littbarski ziemlich rar und wurde hoch gehandelt. Für einen Pierre gab es damals gleich mehrere andere Spieler. Egal ob Leckmuscheln, Lutscher, Panini Bilder oder eben Bananen. Die Gruppe definiert durch die Magie von Angebot und Nachfrage den Preis und jedes Kind am Pausenhof wird zum Börsenbroker. Es analysiert aufgrund seines Albums messerscharf und völlig selbstständig den Preis für Pierre Littbarski. Es bedarf keiner Regulierung eines Dritten.
Ebenso wie die Panini Bilder war entscheidend für die Wahl des Tauschobjekts, dass es nicht in beliebiger Menge verfügbar war. Um in der Fußball-Analogie zu bleiben hätte sich nie ein Tauschmarkt entwickelt, wenn der Schuldirektor in jeder Pause hunderte von Panini Bildern über den Pausenhof geworfen hätte.
Bis hierher haben wir zwei wichtige Dinge gelernt.
Erstens, dass die Menschen in einem Markt völlig selbstständig das Tauschobjekt aufgrund simpler Parameter (begrenzt verfügbare Menge) auswählen.
Zweitens handeln Menschen, sie kommunizieren über Dinge miteinander. Es liegt in ihren Genen und sie definieren aufgrund der simplen Methode von Angebot und Nachfrage den Preis eines Produkts.
Betrachten wir das Tauschobjekt genauer. Bevor es Geld gab, tauschte der Schuhmacher sein Handwerk gegen ein Stück Fleisch vom Bauern. Letzterer hatte allerdings ein Problem, denn er musste seine verderbliche Ware Fleisch dann bereitstellen, wenn auch seine Schuhe kaputt waren. Et voila, die erste technologische Evolution im Handel entstand: Geld als neutrales Tauschobjekt. Dieses neutrale Tauschobjekt hat keinen intrinsischen Wert — man konnte es nicht essen. Es war abstrakt. Im Laufe der Menschheitsgeschichte waren Perlen, Muscheln , selbst Federn solche abstrakten Tauschobjekte. Die Liebe zu Gold und anderen Edelmetallen entwickelte sich erst mit den Babyloniern, Ägyptern und Griechen.
Wir halten also fest: Das abstrakte Tauschobjekt hat keinen intrinsischen Wert
Intrinsisch heißt aus sich heraus. Fleisch hat aus sich heraus einen inneren Wert, denn ich kann es essen. Die Schuhe helfen mir große Distanzen zu überbrücken. Aber die Perle oder der Goldklumpen spiegeln nur einen Wert wider. Zu abstrakten Tauschobjekten taugen nur Objekte, die wie oben bereits unter Erstens schon erwähnt, rar sind. Muscheln eigenen sich für ein Volk auf einer Insel nicht als Geld. Darüber hinaus darf man das abstrakte Tauschobjekt auch nicht einfach herstellen können.
Ebenso wichtig wie die Geldmenge ist aber auch die Werthaltigkeit. Soll heißen, dass das Geld auch morgen noch den Wert der Transaktion von heute hat. Frag’ Deine Großeltern oder jemanden aus Venezuela, wenn der Preis für ein Hühnerei sich über Nacht verdoppelt. Denn eine Währung entsteht in dem Moment, wenn der Bauer darauf vertraut, dass das Geld für das verkaufte Steak ihm auch morgen oder übermorgen noch neue Schuhe kaufen kann. Dieses Vertrauen ist ein Instinkt — denk einfach wieder an die Schulzeit. Die Jungs auf dem Pausenhof wählten die Panini Bilder einfach aus. Die Währung entstand von alleine, niemand hat sie ihnen aufgezwungen, und sie existierte so lange bis das Vertrauen schwand. In dem konkreten Fall mit dem Alter der Kinder bzw. dem Ende der Weltmeisterschaft.
Wir halten also Drittens fest, dass das neutrale Tauschobjekt den Wert über längere Zeit halten kann.
Davon hängt nämlich auch die sogenannte „time preference“ ab. Wenn die Bürger wissen, dass ihr Geld an Wert verliert ist ihre Motivation Geld zu sparen geringer. Der heutige Konsum erscheint wichtiger als den Konsum in die ungewisse Zukunft zu schieben.
Somit kommen wir endlich zu Gold. Dieses Edelmetall fungiert seit 5.000 und mehr Jahren als Tauschmittel und gilt auch heute noch als harte Währung oder anders ausgedrückt: Krisenwährung. Die Gründe habe ich im Text schon alle beschrieben, liste sie hier dennoch kurz auf: Begrenzte Menge, nicht künstlich herzustellen, werthaltig und vertrauenswürdig. Niemand zwingt Frauen sich goldene Ketten um den Hals zu hängen, sie tun es einfach weil Frau das eben so macht. Dieser Faszination erlagen schon diverse Zivilisationen vor uns und es funktioniert noch heute.
Das liegt aber nicht am intrinsischen Wert des Edelmetalls. Dieser ist sehr gering verglichen mit dem Goldpreis an der Börse. Schließlich hat Gold als inneren Wert seine Leitfähigkeit in der Elektronik oder andere Anwendungen zu bieten. Der große Teil seines Werts ist aber das ungebrochene Vertrauen der Menschen in das gelb schimmernde Metall aufgrund der beschriebenen Eigenschaften als harte Währung.
Der Bitcoin ist eine harte Währung, weil er all die Eigenschaften von Gold vorweisen kann. Es wird nie mehr als 21 Mio Bitcoins geben. Die Inflation ist durch diverse mathematisch-krypografische Regeln im Protokoll vorgegeben und damit berechenbar. Sein Wert hat gegenüber jeder anderen Währung auf der Welt über die letzten Jahre dramatisch zugenommen, weil Menschen offensichtlich einer transparenten, berechenbaren und nicht manipulierbaren Geldpolitik mehr Vertrauen schenken, als den Zentralbanken. Obendrein ist Bitcoin sehr leicht teilbar — nämlich in Satoshis. 100.000.000 Satoshis sind in einem Bitcoin und können somit selbst Kleinstbeträge darstellen. Apropos leicht, Bitcoin ist im Vergleich zu Gold ein toller Reisebegleiter.
Wer jetzt immer noch fragt, “Welchen intrinsischen Wert hat Bitcoin?”, dürfte auf den zweiten Teil am nächsten Samstag gespannt sein. Da geht es nämlich um die Produktion von diesen Bitcoins.