Wieso wir Mathematik vertrauen dürfen und im Fall von Bitcoin sollten
In angespannten Zeiten suchen Anleger krisenfeste Anlagen und harte Währungen. Gold ist so eine Anlageklasse und das schon seit mehr als 5.000 Jahren. Die Gründe dafür habe ich im ersten Teil erläutert und auch gleich das oft vorgebrachte Argument gegen Bitcoin „kein intrinsicher Wert“ eingeordnet.
Um die Fragen zu klären, wieso einige Marktteilnehmer Bitcoin als eine harte Währung betrachten, lohnt ein Blick auf unser Bankensystem. Es handelt sich um ein zentralistisches System, in dessen Zentrum die Notenbanken als Hüter der Währung des jeweiligen Währungsraums stehen. Mit der Geldmenge und dem Zinssatz steuern diese Notenbanken die Geschicke der Wirtschaft und vor allem die Inflation. Die Geschichte der Notenbanken beweist, dass sie vor allem die Überhitzung der Wirtschaft nicht gut im Griff haben, denn „boom & bust“ Zyklen treten regelmäßig auf.
Unabhängig von den (Miss-) Erfolgen der Notenbanker zeigt sich, dass die Macht über die Geldpolitik mit zunehmender Distanz zur EZB (exemplarisch) abnimmt. Der Europäer muss den Euro nutzen und hat selber keinerlei Einfluss auf die Geschicke der Währung. Zentralistisch sind auch SWIFT oder VISA. Nur ausgewählte Marktteilnehmer sind zugelassen sich in diesen Netzwerken zu bewegen. Vor allem Sicherheitsbedenken werden hier vorgeschoben, schließlich könnte ein Krimineller das Finanzsystem erschüttern. Interessanterweise stellt sich hier niemand die Frage, wieso diese Systeme so sensibel, so angreifbar und gleichzeitig so eminent wichtig sein dürfen? Gibt es hier etwa ein grundsätzliches Problem mit der Art und Weise, wie wir Finanztransaktionen durchführen?
Im krassen Gegensatz hierzu steht das Bitcoin-Blockchain-Netzwerk. Dessen Regeln, Gesetze oder Protokolle sind open-source. Jeder da draußen kann das Bitcoin Whitepaper (das Manifest des Erfinders) lesen oder sich den Code auf Github herunterladen. Öffentlich zugänglich sind übrigens alle Daten inkl. jeder einzelnen Transaktion.
Das bedeutet der Code dieser aktuell US$ 600 Mrd. teuren Idee muss so simpel, so einfach und gleichzeitig so sicher sein, dass man sich traut diesen mit jedem einzelnen Menschen auf der Welt zu teilen. Hier sind explizit Hacker inkludiert und gäbe es eine Hintertür, hätte sie bereits jemand gefunden.
Die Einfachheit von Bitcoin schafft Vertrauen.
Die dezentrale Struktur des Netzwerks ist diskriminierungsfrei. Im Gegensatz zu Entscheidungen hinter verschlossenen Türen in einem Gebäude mit Panzerglas und weiträumig abgesperrten Hochsicherheitsbereichen, leiten tausende von Rechnern alle Transaktionen gleichberechtigt durch das Netzwerk. Für die Verarbeitung ist weder der Absender, die Transaktionssumme noch der Empfänger relevant, sondern einzig und allein der aktuelle Kurs der Bearbeitungsgebühr im Netzwerk. Es gibt keine zentrale Instanz, die Kontrolle ausübt.
Bitcoin ist ein pures und im Grunde sehr simples „peer-to-peer“ Netzwerk. Alle Transaktionen sind voll gedeckt, es gibt keine Schulden im Bitcoin-System. Ganz anders sieht das in unserem Bankensystem aus. Dein Buchgeld auf der Bank ist letztlich eine Forderung von Dir an die Bank, denn die Bank schuldet Dir das Geld. Die Abhebung am Geldautomat, die Überweisung an den Autohändler tilgen die Schulden bei der Bank. Jedoch sind Du und die Bank keine gleichberechtigten Partner. In Griechenland limitierten die Banken das Limit für Bargeldabhebungen am Geldautomaten und blockierten Überweisungen ins Ausland. So etwas nennt man Kapitalverkehrskontrollen und dient selbstverständlich ausschließlich dem Interesse der Banken bzw. Staaten. In der IT bezeichnet man eine solche Beziehung Master-Slave, denn es ist nur ein schwacher Trost, dass die Bank noch immer Schulden bei Dir hat, Du aber nicht mehr über Dein hart erarbeitetes Geld verfügen kannst.
Der diskriminierungsfreie Grundsatz von Bitcoin schafft Vertrauen
Eingangs sprach ich kurz von der Geldmenge und auch im ersten Teil habe ich die Essenz von Geldmenge anhand der Panini-Bilder auf dem Pausenhof erläutert. Neben den Zinsen ist die Geldmenge einer der Stellschrauben der Notenbank, um die Geschicke der Wirtschaft zu steuern.
Auffällig ist das exponentielle Wachstum der Geldmenge der großen Wirtschaftsräume. Schon vor der Corona-Pandemie blähte sich die Bilanz der FED enorm auf, doch seit 2020 kann man von einem regelrechten Senkrechtstart sprechen. Doch wie kam es dazu?
Zu Beginn des US Dollars stand auf der Note noch geschrieben, dass sie dazu berechtigt, den Wert in Gold umzutauschen. Mit dem Goldreserve-Gesetz 1934 wurde der Goldbesitz in den USA faktisch verboten und die Dollarnoten wurden eingezogen und ersetzt. Als Präsident Nixon sich 1971 komplett vom Goldstandard verabschiedete, erfand er damit die papiergedeckte Währung. Seitdem stieg der Goldpreis gegenüber dem Dollar stark an, denn dem Wert einer Dollar-Note (Äquivalent Euro/ Yen/…) stand nichts mehr gegenüber.
Historisch betrachtet wächst die Goldmenge pro Jahr ungefähr mit 1–2% und diese Währung überlebte zahlreiche andere Währungen im Laufe seiner tausendjährigen Geschichte. Genau das macht unter anderem die Faszination und damit letztlich die Krisenfestigkeit des Edelmetalls aus. Allerdings hängt die jährliche Minenaktivität stark vom Goldpreis ab. Als Gold sich im Dezember 2015 der US$ 1.000 Marke näherte, reduzierten die Minenbetreiber ihre Schürfaktivitäten. Mit steigendem Goldpreis warfen die Goldschürfer wieder ihre Maschinen an. Für alle Betriebswirte ein völlig normales Marktgeschehen. Ein Produkt erzielt am Markt höhere Preise, also steigere ich die Produktion um mehr davon zu verkaufen.
Bitcoin ist härter als Gold und führt dieses ökonomische Prinzip ad absurdum. Ein Novum in der freien Marktwirtschaft! Denn in besagtem Protokoll ist festgelegt, dass etwa alle 10 Minuten ein neuer Block an die Blockchain gehängt wird — den technischen Hintergrund beleuchte ich später — und dieser Zeitfaktor von etwa einem Block bleibt erhalten, egal wie wieviel Miningfarmen ans Netz gehen. Bitcoin ist daher die erste Wertanlage, deren Angebot unabhängig von einer steigenden Nachfrage ist.
Die Unabhängigkeit von der Nachfrage nach Bitcoin schafft Vertrauen
Gewitzte Leser werden nun korrekterweise anmerken, dass je mehr Schürfer — also „Miner“ — im Netzwerk sind, desto schneller werden Bitcoins auch geschürft. Doch auch diese Eventualität und im Grunde marktwirtschaftlich erwartbare Konstellation konterte Satoshi Nakamoto mit einem Gesetz (im Protokoll), nämlich der „difficulty“.
Jeder im Umlauf befindliche Bitcoin entstand auf die nun folgende Weise, ohne Ausnahme! Das Zusammenspiel zwischen einem monetären Anreiz und einer dezentralen Datenbank als gemeinsamer Transaktionsnachweis verleihen Bitcoin Wert. Die dezentrale Datenbank heißt Blockchain und kann wie jede Datenbank vielerlei Dinge. Allerdings ist die Blockchain einzigartig qualifiziert genau einen sozialen und einen technischen Aspekt abzudecken. Zum Einen verhindert sie über ausgeklügelte Technologie ganz ohne Notar (Aufsichtsperson) das digitale Güter mehrfach ausgegeben werden können. An der Stelle erinnere ich an mp3. Wenn ich den neuesten Song von Taylor Swift per eMail an Dich verschicke, haben Du und ich je eine Kopie. Für Audiophile ist das sicherlich toll, doch unser Finanzsystem würde sofort kollabieren. Jede Überweisung würde das Geld beim Empfänger einfach entstehen lassen, ohne es beim Sender abzuziehen.
Der soziale Aspekt beschreibt die Blockchain als die einzige vertrauenswürdige Quelle von Transaktionsdaten inklusive des vereinbarten Regelrahmens über wirtschaftlich und gesellschaftlich völlig unabhängige Marktteilnehmer hinweg — ohne das irgendwer die Quelldaten oder Regeln verändern kann.
Die Marktteilnehmer im Bitcoin Umfeld sind zum Einen die Besitzer von Bitcoins, dann die Miner als die Verarbeiter der Überweisungen und letztlich die Nodes als Wächter über die Regelkonformität. Bei einer Transaktion wird ein Bitcoin im herkömmlichen Sinne “überwiesen”. Auf der Bitcoin Blockchain signiert also der Sender mit seinem privaten Schlüssel die Transaktion, hinterläßt aber auch die Empfängeradresse. Die Miner packen im 10 Minunten-Takt all die so aufgelaufenen Transaktionen in einen sogenannten Block und betreiben auf diese Art und Weise das Netzwerk.
Dank einer Spieletheorie erhalten die Betreiber der Miningfarmen auch einen finanziellen Anreiz. Alle Miner rennen alle 10 Minuten um die Wette. Das Rennen ist hier ein mathematisches Rätsel, dessen Schwierigkeit — siehe ebenda die „difficulty“ — von der Leistungskapazität im Netzwerk abhängt. Je mehr Rechner rennen, desto schneller findet man des Rätsels Lösung. Daher justiert die „difficulty“ die Schwere des Rätsels auf die 10 Minuten Spielzeit. Wie im richtigen Leben kann nur einer der Miner das Rennen gewinnen und sich die 6,25 BTC als Belohnung abholen. Es winken also je nach US$ Wert pro Block US$ ~210.000. Das ist die Motivation Arbeit in das Rätsel zu investieren. Bevor das Ergebnis in das Netzwerk eingespeist wird, kontrollieren die Nodes — also die anderen Rechner im dezentralen Netz — ob wirklich das Rätsel gerechnet wurde (Proof of Work). Ein mathematischer Kniff macht es den Nodes einfach rückwärts zu rechnen, im Vergleich zur Rechenleistung der Miner zur Lösungsfindung. Welcher Block als erstes über 50% des Netzwerks erreicht, gilt als Gewinner und wird überall an die Blockchain angehängt. Die darin enthaltenen Transaktionen wurden also validiert und verewigt.
Die Investition in Hardware und Energie plus unbestechliche Aufseher schaffen Vertrauen
Millionen Menschen spielen samstags Lotto. Regelmäßig gewinnt einer die Millionen und alle anderen schauen in die Röhre. Doch treten die nächsten Samstag wieder alle an. Das ist Spieletheorie und identisch mit dem Bitcoin-Beispiel. Anders ist dort lediglich, dass mit Hilfe dieser Motivation ein weltweit dezentrales Computernetzwerk aufrecht erhalten wird, dass Finanztransaktionen verlässlich, diskriminierungsfrei, unbestechlich und von niemandem manipulierbar verbucht.
Die Begrenzung auf 21 Millionen Bitcoin im Protokoll ist nunmehr Randnotiz und komplettiert die Definition einer harten (stabilen) Währung: Begrenzte absolute Menge, sehr niedrige Geldmengenveränderung und das nötige Vertrauen ist spätestens jetzt geschaffen.
“When the government looks at crypto people they look at anarchists. But what these anarchists have built is a true system of laws, not of men. A system of code based laws that are transparent, objective, execute exactly as written regardless of who you are.”
Erik Voorhees
Der aufmerksame Leser wird jetzt werthaltig vermissen. Wem der Verfall jeder FIAT-Währung gegenüber dem Bitcoin in den letzten 11 Jahren noch nicht Beweis genug ist, der blickt sicher mit Spannung auf den nächsten Teil, wo Wert auch über (Energie-)Kosten definiert werden kann.